Die Modebranche ist durch die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus besonders betroffen. Die schwierige und unsichere Wirtschaftslage ist auch bei den Mitarbeitern angekommen. Welche Ratschläge haben Personalberater für Arbeitnehmer und Arbeitgeber in dieser Situation?
Den alten Job gekündigt und dann endlich einen neuen gefunden, aber dann macht Covid-19 den Karriereplänen einen Strich durch die Rechnung. Personalberaterin Silke Niemann erlebt in diesen Tagen, welche Auswirkungen der Ausbruch des neuartigen Coronavirus auf den Arbeitsmarkt der Modebranche hat und dabei auch Einzelschicksale trifft. “Ich hatte einen Kandidaten, der ein Angebot abgelehnt hat, weil er am neuen Arbeitsplatz in der Kurzarbeit gelandet wäre und vielleicht den Job auch wieder verloren hätte“, sagt die Inhaberin von Niemann Consulta. Ihre Personalberatung mit Standorten in Zürich, Köln und Wien ist auf die Talentsuche für Luxus- und Premiummarken spezialisiert.
Wie viele andere, arbeiten auch Angestellte in der Modebranche nun von zuhause aus; der Großteil der Einzelhandels-Mitarbeiter befindet sich in Kurzarbeit. Einige haben eventuell auch ihren Arbeitsplatz verloren, denn Modeunternehmen versuchen durch Ladenschließungen und sinkende Verbrauchernachfrage verursachte Umsatzeinbußen mit Einsparungen auszugleichen. Das Budget für Neueinstellungen ist meist auch eingefroren.
“Die Situation ist so neu und ungewiss, dass viele auch handeln wollen”, sagt Frank Czernio, Geschäftsführer von Headhunting for Fashion. Sein Düsseldorfer Unternehmen ist vor allem auf Talentsuche und Personalberatung im Mode-Einzelhandel spezialisiert. “Alle stellen sich mal auf schwierige Zeiten ein, aber dass alles zusammenbricht, ist für alle neu.”
Welche Positionen werden noch besetzt?
Durch die große Unsicherheit haben die meisten Unternehmen ihre Suchen pausiert, Unternehmen führen wenig Gespräche. “Alles ist sehr verhalten”, erzählt Niemann. Durch die vorübergehend geschlossenen Läden herrsche vor allem im Einzelhandel Einstellungsstopp, sagte sie. Im Wholesale- oder Merchandising-Bereich werden aber noch Stellen besetzt, ebenso Positionen in Onlineshops.
Für Kernpositionen in Unternehmenszentralen wird also noch rekrutiert. Diese Beobachtung teilt auch Nabila Staschel, Senior Executive Search Consultant bei der Mode-Personalberatung Deeken HR in Berlin. “Gerade jetzt ist es für Unternehmen wichtig, gewisse Schlüsselpositionen weiter zu besetzen”, sagt sie. Denn das Wirtschaftsleben wird weitergehen und dafür werden Mitarbeiter auch weiter gebraucht.
Bisher wurden noch keine geplanten Geschäftseröffnungen in diesem Jahr wegen dem Ausbruch des Coronavirus abgesagt, so Czernio über die Modeunternehmen mit denen er zusammenarbeitet. Ein Drittel seiner Unternehmenskunden führt auch weiter Gespräche. Der Rest hat – gerade wenn es um Stores geht – alles eingefroren.
Kurzarbeit und Entlassungen
Czernio hört auch von einigen Kunden, dass sie Probleme haben Kurzarbeit mit ihren Angestellten zu vereinbaren. Oft ist das Verständnis für die Situation da, aber wirkliche Abstriche beim Gehalt wollen viele Mitarbeiter doch nicht machen. “Ich kann da nur empfehlen, dass Mitarbeiter das jetzt mitmachen. Das gilt für beide Seiten, dass Arbeitgeber alles tun um die Arbeitsplätze zu sichern und Arbeitnehmer hier ihre Arbeitgeber unterstützen.” So gelte es gemeinsam, diese noch nie dagewesene Situation zu überstehen. Allerdings räumt er ein, dass einige Menschen – gerade in der Probezeit – auch ihren Arbeitsplatz verloren haben.
Frank Czernio beobachtet, dass mittelständische Unternehmen oft anders in der unsicheren Situation mit ihren Mitarbeitern umgehen. “Fest steht: alle leiden darunter. Ich sehe aber gerade bei den mittelständischen Unternehmen, dass sie bis jetzt anders mit dieser Situation umgehen”, sagt er. “Die großen Konzerne ziehen eigentlich als erstes die Notbremse, die Kleinen schauen schon mehr in die Zukunft und überlegen, wie man sich vorbereitet. Große Unternehmen haben oft andere Zwänge, teilweise weil sie börsennotiert sind.”
“Den Optimismus nicht verlieren, nicht zu viel fordern. Abwarten, was die Regierung beschließt”, rät Silke Niemann Arbeitnehmern in den unsicheren Zeiten. Sie beobachtet, dass Mitarbeiter meist bei der Kurzarbeit mitziehen, wenn sie vorher glücklich mit ihrer Arbeit waren und ihren Job nicht verlieren wollen. “Ich bekomme eigentlich mit, dass sich die meisten dem fügen, was die Unternehmen jetzt anbieten”, sagt sie. Angestellte sollten nicht die Zuversicht verlieren, rät Niemann. “Die Knöpfe werden irgendwann auf grün gedrückt, und wir werden alle auf Start gesetzt. Die Frage ist nur wann.”
Bleiben oder wechseln?
Aber was ist, wenn die Mitarbeiter spüren, dass sie auf einem sinkenden Schiff sitzen? Die von den Regierungen angeordneten Ladenschließungen, um die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen, haben zu Umsatzeinbußen geführt, die gerade bereits strauchelnden Modeunternehmen zusetzen. Oder denkt niemand in der aktuell ungewissen Lage über Jobwechsel nach?
Zwei verschiedene Szenarien beobachtet Nabila Staschel. “Es gibt Kandidaten bei denen gerade jetzt das Thema Loyalität ganz groß ist. Dann gibt es Kandidaten, die jetzt diese Chance nutzen, um über berufliche Änderungen nachzudenken. Sie nutzen die Zeit, die sie nun haben, um sich aktiv umzuschauen. Da raten wir Kandidaten: Sollte es aktuelle Anzeigen geben, die geschaltet worden sind, dann sollte man sich nicht davon abhalten sich darauf zu bewerben.” Diese Stellen seien bewusst von den Unternehmen geschaltet, um jetzt schon die Suche zu beginnen.
Es sei alles ein großes Miteinander, sehr herzlich, sehr mitfühlend; Anteilnahme stehe im Vordergrund und weniger Themen wie mehr verdienen und den nächsten Sprung machen, so empfindet Silke Niemann die Lage. “Es ist die falsche Zeit jetzt Aktionen zu zeigen, weil jetzt meist Einstellungsstopp ist. Die wenigsten stellen momentan aktiv noch ein, sondern setzen das on Hold oder verschieben in die Zukunft”, erzählt sie. Aber wer schon vor der Coronavirus-Krise seinen derzeitigen Job hinterfragt hat, kann die Zeit während der Kurzarbeit oder zuhause jetzt auch nutzen. “Es ist eine gute Zeit um sich über seine eigene Lebenssituation und Motivation Gedanken zu machen.”
Auch Frank Czernio ist überzeugt, dass der Arbeitsmarkt wieder anspringen wird: “Selbst die Unternehmen, die jetzt keine Gespräche führen, werden in drei, vier Wochen wieder aus den Startlöchern kommen.” Die Jobsucher sollten jetzt nicht denken, dass sich nichts tun wird – auch gerade den Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, empfiehlt Czernio: “Fleißig bewerben.”
Bei den Bewerbungsgesprächen, die dennoch in den vergangen Wochen per Videokonferenz geführt wurden, bleibt die große Frage, ob die offenen Stellen ohne ein persönliches Treffen besetzt werden. Viele Unternehmen haben auch schon umgedacht und auf das Bewerbungsverfahren per Video umgestellt, Kandidaten sollen sich darauf einlassen, rät Nabila Staschel.
Employer Branding in Krisenzeiten
“Durch den fehlenden persönlichen Kontakt gilt jetzt mehr denn je, dass transparente Kommunikation das A und O ist – auf beiden Seiten”, sagt die Teamleiterin bei Deeken HR. Im Bewerbungsgespräch soll ein Kandidat ruhig Fragen stellen, auch darüber, wie Unternehmen mit der aktuellen Situation umgehen. Hier helfe es, wenn Unternehmen transparent sind und konsequente Aussagen treffen, ob aktuell intern oder im Interviewprozess.
Zur transparenten Herangehensweise rate sie eigentlich auch generell, sagt Staschel. “Man muss den Unternehmen die Zeit geben, sich zu ordnen und einen Plan zu entwerfen, wie sie vorgehen. Wenn das passiert ist, ist es wichtig auf allen Kanälen soweit wie möglich transparent zu sein und Stellung zu beziehen”, sagt sie. Intern können Unternehmen so gerade jetzt das “Wir-Gefühl“ stärken, wenn sie auch Mitarbeiter abholen.
Die Kommunikation nach außen ist auch während der Krise wichtig, um als Arbeitgeber im Gespräch zu bleiben, sagt Silke Niemann. Unternehmen platzieren sich und zeigen, wofür sie stehen. Das hilft nicht nur, um Mitarbeiter zu binden, sondern auch, um nach außen eine Botschaft an zukünftige Mitarbeiter zu senden.
Die Ungewissheit erschwert, wie Unternehmen derzeit am besten kommunizieren, sagte Czernio. Was heute gesagt wird, kann morgen schon hinfällig sein. Aber die Kommunikation ist jetzt gerade extrem wichtig: “Definitiv kann das auch eine Chance sein, für die Unternehmen, die jetzt sauber und offen damit umgehen und transparent gegenüber ihren Mitarbeitern sind.”